Trumpf-Tochter treibt die Quantenfoschung voran

Qant: Trumpf-Tochter treibt die Quantenfoschung voran

Die Technologie von Qant soll es möglich machen, Prothesen ohne größere Eingriffe zu steuern. Bei Quanten-Chips setzt das Unternehmen auf eine spezielle Technologie.

03.04.2023 | von Martin-W. Buchenau

Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Besuch bei Qant
© Trumpf

Stuttgart Die Trumpf-Tochter Qant kommt in der Quantentechnologie voran. Das konzerneigene Start-up entwickelt Quantencomputer-Chips und hat den ersten industriereifen Quantensensor, der feinste Partikel messen kann, bereits auf den Markt gebracht. Auf der anstehenden Hannover Messe zeigt das vor fünf Jahren von Michael Förtsch gegründete Unternehmen einen handtellergroßen Magnetfeldsensor.

Diese Innovation wollte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Montag bei einem Besuch in Stuttgart schon mal anschauen. „In naher Zukunft soll der Quantensensor Prothesen über Muskelsignale an den Amputationsstellen präzise steuern“, erklärte ihm der promovierte Physiker Förtsch.

Aufwendige invasive Methoden, um an die Signale des Nervs zu kommen, braucht die neue Technologie nicht mehr. Sie wird einfach in die Prothese eingebaut. „Eines Tages werden Gedanken Maschinen steuern können“, ergänzte Trumpfs neuer Aufsichtsratschef Peter Leibinger. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sensoren seien diese so sensibel, dass sie im Prinzip auch Hirnströme messen können.

Angesichts sinkender Autoproduktion setzt Kretschmann darauf, dass Baden-Württemberg bei den Themen Quantentechnologie, Halbleiter und Sensorik in den kommenden Jahren eine noch wichtigere Rolle spielt. „Wir wollen die Quantentechnologie mit der Landesinitiative Quantum BW generell fördern“, sagte der Politiker. Eine entsprechende Absichtserklärung hatte die Landesregierung kürzlich unterzeichnet.

Quantensensoren könnten den industriellen Fortschritt rasant beschleunigen und Dinge möglich machen, die allenfalls aus Science-Fiction-Filmen bekannt seien, sagte Förtsch. Der Magnetfeldsensor gilt als ein Schritt in diese Richtung. Bis die Technologie Anwendungsreife erlangt, seien noch drei bis vier Jahre Entwicklungsarbeit nötig. Partner auf Kundenseite ist der Prothesenhersteller Ottobock.

Trumpf hat zweistelligen Millionenbetrag investiert

Noch sind die Sensoren inklusive der verbauten Steuerungstechnik zu groß, um sie in Prothesen zu integrieren. In den kommenden Jahren sollen sie aber von der Größe einer Konservendose auf Streichholzschachtelformat schrumpfen. Dann sollen die eingebauten Magnetfeldsensoren Muskelsignale erkennen und entsprechende Bewegungen auslösen. So könnte sich eine Handprothese zur Faust schließen oder nach einer Tasse greifen.

Qant-Chef Michael Förtsch kann sich aber auch Anwendungsbereiche in anderen Branchen vorstellen, und zwar „überall dort, wo feinste Ströme gemessen werden müssen“. Als Beispiele nannte der Manager die Qualitätssicherung von Festplatten oder um Fehlströme in Leistungschips oder Batterien zu identifizieren.

In Qant mit seinen heute 60 Spezialisten hat der Laserspezialist Trumpf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag investiert und erschließt sich damit ein neues Anwendungsfeld. Die Tochter arbeitet zudem bereits an Quantenchips.

Aber warum soll ausgerechnet ein noch so kleines Unternehmen hier Erfolge erzielen, wo doch viele große Tech-Konzerne an Quantencomputern tüfteln? Gründer Förtsch setzt auf Licht zum Datentransport. Durch das Aufbringen hochspezieller Lichtkanäle auf Siliziumchips lassen sich mit diesem sogenannten Photonik-Chip-Verfahren Quanten auch bei Raumtemperatur nahezu verlustfrei führen, steuern und kontrollieren.

Qant-Chips brauchen keine Kühlung

Förtsch zeigte am Montag einen ersten Prototypen mit den in Gel gelagerten Halbleitern. Seine Chips brauchen quasi keine Kühlung wie etwa der Quantencomputer von IBM. Das ist ein großer Vorteil: Es ermöglicht den Einsatz auch in herkömmlichen Großrechnern.

Die Chips sollen dann bislang unlösbare Rechenoperationen mit komplexen Datenmengen etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz ermöglichen. Qant leitet ein mit 50 Millionen Euro gefördertes Projekt zum Bau einer Anlage für photonische Quantencomputer-Chips.

Konkurrenten in diesem Bereich sind Psiquantum aus den USA und Xanadu aus Kanada. Beide sind von Investoren mit mehreren 100 Millionen Dollar Wagniskapital ausgestattet. Google investiert beispielsweise jährlich 150 Millionen Euro in die Quantentechnologie.

„Wir konzentrieren uns auf bestimmte Fragestellungen“, betonte Trumpf-Aufsichtsratschef Leibinger. Man brauche aber für solche Spitzentechnologien Geduld und einen langen Atem. Sollte es zur industriellen Chipproduktion kommen, braucht der Mittelständler Partner. „Wir sind da offen“, betonte Leibinger. Er gehört zu den Initiatoren für eine Roadmap mit dem Ziel, innerhalb von fünf Jahren den ersten deutschen Quantencomputer zu entwickeln.

Zur Startseite

© 2022 Handelsblatt GmbH
AGB | Datenschutz | Impressum

Mobile Webseite

Datenschutz-Einstellungen

v3.0.22

ICO/Audio-Play@1,5x stop „@1x