Maybrit Illner: Putins Prahlerei – „Am besten brennen die Leoparden!“ | Politik

Vor der Offensive startete Kiew die „Operation Pssst“: Soldaten hielten sich den Zeigefinger an die Lippen, keine Info für den Feind! Der Kreml aber ballert Propaganda wie mit der Stalinorgel raus, und im Westen ziehen viele prompt die Köpfe ein. Auch Maybrit Illner ist bange: „Schwierige Offensive – Putins Stärke unterschätzt?“

Die Gäste

Lars Klingbeil (45, SPD). Der Parteichef steht im Wort: „Uneingeschränkte Unterstützung für die Ukraine!“

Roderich Kiesewetter (59, CDU). Der Außenpolitiker fordert, die Ukraine solle zur eigenen Verteidigung „auch Russland angreifen“.

Wolfgang Ischinger (77). Der Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz urteilt über die Zerstörung des Kachowka-Staudamms: „Eine Verzweiflungstat – militärisch sinnlos!“

Prof. Nicole Deitelhoff (49). Die Konfliktforscherin kritisiert: „Strategische und taktische Fragen werden direkt mit Moral aufgeladen und können dadurch nicht mehr getrennt behandelt werden. Das ist ein großes Problem.“

André Wüstner (49). Der Chef des Bundeswehrverbandes erwartet, dass der Krieg noch zehn Jahre dauern könne.

Experten aus Politik, Militär und Medien. Das Zoff-O-Meter freut sich auf eine zielführende Profi-Debatte!

Unerschrockenster Kommentar

Klingbeil klettert gleich an der Ablauflinie ohne Helm aus dem politischen Bunker: „Ich komme ja aus einer Soldatenfamilie“, bekennt er, insofern sei „die Auseinandersetzung auch bei Auslandseinsätzen“ und „in meiner Heimatstadt Munster“, dem größten Standort des deutschen Heeres, „immer schon sehr da gewesen.“

„Der Krieg wird jetzt noch mal sehr bewusst, auch die Bilder, die ihn begleiten“, erläutert der SPD-Chef seine Position. „Die Bilder sind grausam, aber, man muss das so sagen: Sie gehören zu einem Krieg, den wir alle nicht wollen, aber sie gehören dazu.“

Berechtigtster Vorwurf

„Wir sollten alle begreifen, dass dieser Krieg ein Marathonlauf ist“, macht Kiesewetter klar, „und dass die furchtbaren Verluste der Ukraine in der Zivilbevölkerung sind, durch Terrorangriffe.“

Sein Ärger: „Wir haben ein halbes Jahr verloren, weil wir nach der Offensive im Herbst die Unterstützung gestoppt haben!“ Jetzt werde deutlich mehr geleistet, vor allem von Balten und Skandinaviern, „aber wir müssen unsere Bevölkerung darauf vorbereiten, dass wir in einen langjährigen Krieg gehen.“

Wichtigste Forderung des Unionspolitikers: Russland muss „verlieren lernen und seine kolonialen Ansprüche aufgeben“. Rumms!

Zynischste Prahlerei

Ein besonders beklemmender Einspieler zeigt, wie sich Putin mit Schrott und Wracks brüstet: „Wir haben auch Panzer sowjetischer Bauart zerstört, aber am besten brennen die deutschen Leoparden und die amerikanische Bradley!“

„Wir sind jetzt in einer Phase intensiver Geheimhaltung“, erklärt Oberst Wüstner dazu. „Die Russen führen einen Informationskrieg. Man kann klar herausarbeiten, wo ein bestimmter Kampf- oder Schützenpanzer immer wieder gezeigt wird.“ Uff!

Lars Klingbeil (r.) im Schlagabtausch mit Maybrit Illner (l.) und Wolfgang Ischinger

Foto: ZDF/Jule Roehr

Professionellstes Lagebild

Aber, so Wüstner weiter: „Wir kommen jetzt in eine brutale Phase, und auch die Bilder, die wir jetzt sehen, werden immer brutaler. Es wird für die Ukraine immer schwieriger, anzutesten: Wo sind Schwachstellen, um dann einen Einbruch zu wagen.“

Positiv sei, so der Oberst weiter, die „brutal gute Kampfmoral“ der Ukrainer, „weil gerade nach der Dammsprengung die Wut noch einmal zugenommen hat, und auch die Widerstandsfähigkeit in der Bevölkerung.“ Aber: „Es wird über Wochen und Monate gehen.“

Warnendste Einschätzungen

„Alles, was wir über Monate aus Moskau gehört haben, kann man unter der Überschrift ‚Desinformation‘ subsumieren“, bestätigt Ischinger, aber: „Es gibt keine Anzeichen, dass Putin die Luft ausgeht.“ Die Kämpfe könnten noch „bis in den Herbst des nächsten Jahres“ dauern. Puh!

„Wir sind in der ersten Phase“, sekundiert Prof. Deitelhoff. „Man testet nach Schwachstellen an der Front. Wenn man sie gefunden hat, werden wir noch brutalere Bilder sehen. In jedem Fall wird das Entsetzen über diese Bilder sehr, sehr groß sein!“

Erschreckendster Live-Bericht

Die ZDF-Reporterin Alica Jung („heute“) stand in Cherson sechs Stunden lang unter russischem Beschuss. Jetzt wird sie aus der Atom-Stadt Saporischje zugeschaltet. „Die Kämpfe hier sind aktuell sehr heftig“, meldet sie. Zurückerobert würden „kleine, zerstörte Dörfer, wo die Menschen sich verstecken“.

Emotionalste Info: „Hier sind viele Frauen, denn fast niemand in dieser Stadt hat einen Vater, Sohn oder Mann, der nicht an der Front kämpft. Sie haben uns gesagt, natürlich ist es das Ziel, dass die Ukraine siegt, aber es geht auch darum, dass die Geländegewinne nicht mit wahnsinnig großen Verlusten einhergehen.“

Professionellste Expertise

Die Propaganda müsse man „ertragen“, tröstet Klingbeil, doch „die ukrainische Armee ist bisher erfolgreich.“ Aber, so der SPD-Chef: „Die Wahrheit wird man nicht in Echtzeit verfolgen können, sondern erst auf der Strecke.“

„Man bereitet Operationen vor“, meldet Wüstner, „Schläge in der Tiefe, logistische Einrichtungen, Munitionsdepots, Hauptquartiere. Jetzt sind wir in der Vorphase, wo es um die Sicherungslinie der russischen Streitkräfte geht. Das heißt Gefechtsaufklärung durch Kampf, durchaus in Kompaniestärke, also zehn, zwölf Fahrzeuge.“

Detaillierteste Analyse

„Mit Drohnen und Artillerie kann man viel vorbereiten“, erläutert der Oberst die aktuellen Gefechte. „Man kann niederhalten, zerschlagen, mit Nebel blenden, um dann mehrere Systeme heranzuführen.“

Dann zählt er die wichtigsten auf: „Kampf- und Schützenpanzer. Pioniergerät. Brückenleger. Minenräumpanzer. Flugabwehr, ganz wichtig! Und der Nachschub. Dass der Westen nicht müde wird, nachzuschieben: Ersatzteile, Großgerät, Munition.“

Schwierigste Aufgabe

Reporterin Jung schildert die erschütternden Opfer und Leiden der Zivilbevölkerung, die „aus Gebieten wie Bachmut geflohen sind und jetzt im ganzen Land von Angriffen mit Drohnen und Raketen immer wieder in der Nacht überrascht werden.“

Der nächste ZDF-Einspieler zeigt Oberst Markus Reisner von der Militärakademie Wien mit der Warnung: Wenn es der Ukraine nicht gelingt, die Luftherrschaft zu erringen, dann wird es schwierig.“ ZDF-Kommentar dazu: „Die Bedeutung der Luftunterstützung ist dem Westen völlig klar, aber die Ukraine muss ohne auskommen.“

Eindringlichster Ermahnung

„Der Kampf am Himmel ist die entscheidende Schwachstelle der Ukrainer, weil wir so lange gezögert haben?“, fragt die Talkmasterin sichtlich beunruhigt.

„Die Ukraine braucht weitreichende Waffen“, mahnt Kiesewetter und nennt als Erstes den deutschen Langstrecken-Luft-Boden-Marschflugkörper „Taurus“.

Gruppenfoto: (v.l.) Wolfgang Ischinger, Roderich Kiesewetter, Maybrit Illner, Lars Klingbeil, Nicole Deitelhoff und André Wüstner. Im Hintergrund zugeschaltet: Alica Jung

Foto: ZDF/Jule Roehr

Optimistischste Prognose

„Worum es jetzt gehen muss, ist, dass wir die Produktionskapazitäten hochfahren“, fordert Klingbeil, vor allem „dass Munition europaweit massenhaft produziert wird“.

„Die Ukrainer sind schnelle Lerner“, lobt Ischinger die Ausbildung der Piloten an amerikanischen F-16. „Ich glaube, dass es eine Frage von ein paar wenigen Monaten ist, bis wir diese westlichen Flugzeuge in der Ukraine sehen können.“

Klarste Ansagen

„Das Ziel ist, dass Russland nie mehr einen Angriffskrieg führen kann“, macht Kiesewetter klar.

„Das Ziel muss sein, dass die Gebiete, die der Ukraine gehören, wieder ukrainische Gebiete werden“, fordert Klingbeil. „Dazu gehört auch die Krim.“ Ob die Halbinsel allerdings militärisch zurückerobert werden könne oder in Verhandlungen, könne er heute nicht bewerten.

Bedenklichste Analyse

„Wenn der Krieg vorbei ist, geht es um den Wiederaufbau der Ukraine“, kündigt Prof. Deitelhoff an. „Und auch darum, eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland aufrechterhalten zu können.“

„Putin braucht zwischen zwei und sechs Jahre, um wieder auf einen Stand zu kommen wie vor dem 24. Februar 2022“, zitiert Wüstner zum Schluss aus Berechnungen westlicher Thinktanks. „Wir in Europa würden 10 bis 14 Jahre brauchen. Wir müssen verstehen, warum Rüstungsindustrie ein Teil von Sicherheit ist.“

„Es ist jetzt eine neue Normalität, die zurückgekehrt ist“, gibt Klingbeil zu, „und das erfordert einen Mentalitätswechsel.“ Bei der Finanzierung der Bundeswehr etwa gelte nun, so der SPD-Chef klipp und klar: „Es braucht eine weitere Unterstützung.“ Amen!

Zitat des Abends

„Pläne lieben Stille, sagen die Ukrainer.“ Maybrit Illner

Fazit

Erhellende Einsichten, klare Ansagen, kluge Kommentare, die Moderatorin schwamm im Redestrom brav mit und niemand wurde von Putin-Trollen gewagenknechtet: Das war eine Talkshow der Kategorie „Frontbericht mit Befehlsaufgabe“.