Gesundheitszustand von Pelé: Brasilien ist in tiefer Sorge – Sport

Brasiliens Nationaltrainer Tite ist ein rationaler Mann, der einen präsidialen Diskurs voller Gravitas pflegt. Am Sonntag aber, gut 24 Stunden vor dem Achtelfinale gegen Südkorea, sprach er “aus der Emotion heraus, von Herzen”, denn er redete über jenen Mann, der den Fußball zu einer Zeit prägte, als Tite, Jahrgang 1961, vom Kind zum Heranwachsenden wurde, und der heute leidet wie noch nie: Édson Arantes do Nascimento, genannt Pelé.

Am Samstag hatten brasilianische Zeitungen gemeldet, dass “O Rei”, der König, palliativ behandelt wird, weil die Chemotherapie nicht mehr anschlage. Die Zeitungen, allen voran die in solchen Dingen hochseriöse Folha de S. Paulo, beharrten auch am Sonntag auf ihren Informationen, obschon Familienangehörige Pelés die Meldungen relativiert hatten. Die Lage nimmt die Brasilianer im Allgemeinen und Tite im Besonderen mit, ebenso seinen Assistenten César Sampaio, der am Sonntag ebenfalls auf dem Podium saß und einst beim Pelé-Klub FC Santos spielte. Seine Stimme wurde noch brüchiger als die von Tite. Der hatte sich daran erinnert, wie er dem dreimaligen Weltmeister (1958, 1962, 1970) im Jahre 2018 begegnet sei.

Er habe gezittert, erzählte Tite. “Mann! Ich habe die Ehre, den Repräsentanten der Menschheit grüßen zu dürfen…!”, habe er gedacht, und gemerkt, wie seine Hände feucht wurden. “Saúde, Pelé!”, rief er ihm am Sonntag zu: “Gesundheit, Pelé.”

Einige Spieler fallen verletzt aus – dafür ist Neymar wieder fit

Danach musste er sich wieder auf das Wesentliche in Katar konzentrieren. Tite soll dafür sorgen, dass die Zahl der Weltmeistertitel endlich auf sechs geschraubt wird. Der fünfte Titel liegt lange zurück. Sehr lange sogar: 2002 siegte Brasilien im Finale von Yokohama gegen die deutsche Mannschaft mit Toren von Ronaldo Fenômeno. Womit man beim nächsten Thema wäre, das die Brasilianer in Unruhe versetzt, denn Ronaldo war dabei, als Gabriel Jesus, Vinícius Júnior, Éder Militão und weitere Multimillionäre aus dem Kreis der Seleção vor ein paar Tagen bei Nusret Gökçe dinierten. Das ist jener affektierte Chef, der für sein “Golden Ottoman Steak” fettarme 650 Euro aufruft, das goldbestäubte Fleisch aber mit lecker Salz bestreut, indem er den Arm anwinkelt, als wolle er den Schatten eines Schwanenhalses an die Wand werfen.

Er sehe kein Problem, sagte Kapitän Thiago Silva am Sonntag; er selbst sei unter denen gewesen, die Trainer Tite um einen freien Tag gebeten hätten, da werde man ja wohl noch essen gehen dürfen. Ein großer Teil der Presse hatte schon vorher aufgeatmet. Denn die Auswahlspieler hätten ihren Ausflug ohne Damenbegleitung angetreten.

Dass man den brasilianischen Spielern daheim etwas weniger gönnt als sonst, hatte auch damit zu tun, dass am Freitagabend das letzte Gruppenspiel gegen Kamerun mit 0:1 verlorengegangen war. Das war insofern nicht weiter dramatisch, als Tite mit der B-Elf hatte spielen lassen und der Gruppensieg nicht abgegeben wurde. Nur: Die bereits verletzungsgebeutelte Seleção musste nach der Partie ein paar Spieler für den Rest der WM abmelden.

Oder sollte Neymar doch besser nicht von Anfang an spielen?

Gabriel Jesus, eine wertvolle Alternative im Sturm, musste wegen einer Knieverletzung nach London zurück; weit schlimmer wiegt, dass Alex Telles ebenfalls wegen einer Knieblessur bis Ende des Jahres ausfällt. Telles ist Linksverteidiger, und auf den Außenverteidigerpositionen ist Brasilien aktuell denkbar schlecht besetzt. Rechtsverteidiger Danilo ist zurzeit nämlich ebenfalls malad, ebenso Alex Sandro.

Dafür ist Neymar wieder genesen. Das klingt a priori nach einer guten Nachricht, zumal er die Koreaner offenkundig einschüchtert. “Wenn wir sagen würden, dass wir es vorziehen würden, wenn Neymar spielt, wären wir doch Heuchler”, sagte der portugiesische Trainer der Koreaner, Paulo Bento. Dennoch: Es gibt eine nicht gerade kleine Gruppe brasilianischer Experten, die es lieber sähen, wenn Neymar nicht spielen würde. Jedenfalls nicht von Anfang an. Ihre Hoffnung: Tite wollte sich auf einen Startelfeinsatz nicht festlegen.