Die Rechtsaußen-Partei AfD im Höhenrausch: 19 Prozent – auf Augenhöhe mit der Kanzler-SPD! Die Ampel ist dagegen im steten Sinkflug, wäre derzeit ohne Mehrheit.
Doch was treibt immer mehr Wähler an den rechten Rand? BILD beantwortet die wichtigsten Fragen!
Welche Themen sind AfD-Wählern wichtig?
Die SPD feiert Bürgergeld und Mindestlohn. Die FDP will Schuldenbremsen-Etat, Bahnreform, neues Namensrecht. Und die Grünen schwingen den Heizhammer, machen Frauen- und Klima-Außenpolitik.
Die AfD-Wähler treiben andere (Angst-)Themen: Asyl, Grünen-Klima- und -Wirtschaftspolitik.
Wie werden Unzufriedene wieder zufrieden?
Experten sind sich einig: Das Heer der Unzufriedenen wächst. Das liegt auch an der Ampel. Doch was müsste sie tun, damit aus frustrierten wieder zufriedenen Wähler werden?
Experten-Antwort: weniger Minderheiten-, mehr Mehrheitspolitik, mehr klare Kanzler-Kante!
Der Politik-Professor Jürgen Falter (79, Uni Mainz): „Bei Wokeness, Identitätspolitik und Asyl zwingen Teile von SPD und Grünen einer andersdenkenden Mehrheit ihren Willen auf, die FDP trägt vieles mit. Dadurch verliert die Koalition zwangsläufig an Zustimmung.“
▶︎ Also: mehr Bürgernähe und mehr bürgerliches FDP-Korrektiv.
Denn Fakt ist: Die Mehrheit der Deutschen lehnt Themen wie Gendern und Identitätspolitik ab.
Das Gefühl, dass die Politik in Berlin immer weniger mit der realen Welt der Bürger zu tun hat, breite sich aus, sagt auch Politikwissenschaftler Nils Diederich (88, FU Berlin): „Wachsende Teile der Gesellschaft fühlen sich nicht mehr wahrgenommen.“ Und weiter: „Die Menschen brauchen den Eindruck, dass die Ampel auf Herausforderungen bei Migration und Wirtschaftsabschwung reagiert. Aber Kanzler Scholz führt eher im Stillen.“
▶︎ Also: mehr Führung.
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Dazu gesellten sich Ängste, so Politik-Professor Diederich weiter: „Habecks Heiz-Gesetz und die Graichen-Affäre haben Unbehagen geschaffen.“
▶︎ Also: weniger Filz.
Und dann wäre da noch der allgemeine Trend nach rechts. Deutschland stehe da nicht allein, sagt Politik-Professorin Paula Diehl (52, Uni Kiel): „Das Erstarken der Rechtsextremen und Rechtspopulisten, die vermeintlich einfache Lösungen bieten, sehen wir in ganz Europa. Als Dreierbündnis hat die Ampel es zudem besonders schwer.“
▶︎ Also: Nicht die Fehler der anderen in Deutschland wiederholen.
Was muss die Kanzler-SPD ändern?
SPD-Influencerin Lilly Blaudszun (22) jedenfalls meint, ihre Partei wachrütteln zu müssen.
„Das sind unsere Leute, die zur AfD gehen; die, für die wir Politik machen. Die meisten von ihnen wählen nicht AfD, weil sie rechts sind, sondern weil wir unseren Job nicht richtig machen und unsere Leute nicht ehrlich kommunizieren. Es muss sich was ändern“, schrieb sie auf Twitter. Den Optimismus von Kanzler Scholz, es werde „schon gelingen“, die AfD wieder kleinzukriegen, teilt sie nicht. Sie nehme nicht wahr, dass „Ernsthaftigkeit bei den Problemen“ gesehen werde.
Von wo wandern die Wähler zur AfD ab?
Kurze Antwort: von allen! Längere Antwort: Besonders von der CDU/CSU und auch von der SPD – und der FDP.
Laut Forsa kommen 24 Prozent aktueller AfD-Wähler von der Union. Doch auch die Ampel hat massig Stimmen an die Ultrarechtspartei verloren: 34 Prozent AfD-Wähler stimmten zuvor für das Regierungsbündnis! Die meisten Neu-AfD-Wähler (16 Prozent) kommen von der SPD, es folgt die FDP mit 15. Selbst die Grünen verloren gen Rechtsaußen: drei Prozent heutiger AfD-Wähler stimmten zuvor für die Ökopartei.
Macht die Union die AfD stark?
Die Geister streiten sich. Von links kommt – traditionell – genau dieser Vorwurf an die Union.
CDU-Legende Wolfgang Bosbach (70) warnt in BILD, Parteichef Friedrich Merz (67) solle sich nicht auf die Themen der AfD fokussieren, sondern um Wähler Richtung Mitte werben.
Doch die Wahrheit ist eher, was Demoskopen bestätigen: Die Union wird von AfD-Wählern als Teil dem politischen Establishment wahrgenommen – zu wenig als Opposition.
BRISANT: In einem internen Papier des Planungsstabs für CDU-Chef Merz heißt es, die Union habe „in der Mehrzahl (…) den Vorschlägen der Regierung zugestimmt“. Konkret stimmte die größte Oppositionspartei 108 Mal mit der Regierung! Fazit im Merz-Papier: „Die hohe Zahl hat uns selbst überrascht!“
Zu viel Gekuschel in der Mitte also?
▶︎ CDU-General Mario Czaja (47) sagte BILD: „Es hat in unserem Land schon immer ein rechtsextremes Wählerpotenzial gegeben. Diesen harten Kern können wir nicht erreichen und das ist auch nicht unser Ziel.“
Immerhin: Der CDU-General räumt ein, die Union müsse künftig „besser gelingen, unsere Alternativen zur derzeitigen Politik, unsere Konzepte und unsere Ideen zu vermitteln“.
Wählen Frauen linker, Männer weiter rechts?
Fest steht: Männer wählen rechter als Frauen.
„Rechtsextreme Parteien sind seit jeher vor allem Männerbünde“, sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner (81), zu BILD. „Das galt auch für die AfD schon, als man noch dachte, sie sei vor allem eine Euro-kritische Partei. Zweidrittel der AfD-Wähler sind Männer.“ Das gelte auch für die möglichen Wähler, die jetzt dazugekommen sind.
Güllner: „Der Anteil von Frauen steigt nur minimal.“ Bei der Bundestagswahl 2021 kam die AfD laut Bundeswahlleiter bei Männern auf 13 Prozent, bei Frauen auf 7,8 Prozent.
Wählen Absteiger und Verlierer die AfD?
Forsa-Chef Güllner hat eine klare Antwort: „Nein!“
Güllner: „Die AfD wird vor allem von der radikalisierten Mittelschicht gewählt – etwa von mit Abstiegsängsten, die ihren eigenen Status gefährdet sehen. Es sind jedenfalls nicht die Abgehängten.“
▶︎ Das Durchschnittseinkommen der AfD-Wähler liege gesamtdeutsch zudem deutlich über dem der Wähler auf der linken Seite. Sie seien öfter Selbstständige, Menschen mit Abstiegsängsten, in Sorge um ihren finanziellen und gesellschaftlichen Status.
Auffällig: „Die Wähler des rechten Spektrums haben pessimistischere Wirtschaftserwartungen“, so Güllner.
Schadet der Höcke-Skandal der AfD?
Bisher haben die vielen Neonazi- und rechtsradikalen-Skandale der AfD wenig anhaben können.
In Brandenburg Sachsen und Thüringen etwa sind bekennende Rechtsradikale in Führungspositionen. Am ganz rechten Rand der AfD ragt besonders einer hervor: Thüringens Fraktionschef Björn Höcke (51). Den darf man – gerichtlich abgesegnet – einen „Faschisten“ und Rechtsradikalen nennen. Gestört hat es bisher besonders im Osten nur wenige.
Parteichefin Alice Weidel (44) wollte Höcke einst aus der Partei werfen – marschiert jetzt Seit an Seit mit dem Faschisten. Und hat damit Erfolg.
Doch jetzt hat Höcke (51, Fraktionschef in Thüringen) eine Nazi-Anklage am Hals: Die Staatsanwaltschaft Halle wirft ihm vor, im Wahlkampf 2021 den verbotenen Leitspruch von Hitlers Sturmtruppe „SA“ („Alles für Deutschland“) gebraucht zu haben.
Schaden für die AfD: „Derzeit unklar“, so INSA-Chef Hermann Binkert. Es sei nicht abzusehen, wann bei AfD-Wählern und Sympathisanten das Maß voll ist.