Stand: 07.06.2022 11:31 Uhr
Zwei Angeklagte müssen sich von heute an wegen Mordes am Journalisten Peter de Vries vor Gericht verantworten. Der Fall löste 2021 in den Niederlanden Entsetzen aus – und zeigt, wie brutal das organisierte Verbrechen vorgeht.
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Studio Den Haag
Peter R. de Vries war nach einem Fernsehauftritt in Amsterdam auf dem Weg zum Parkhaus, als der Täter ihm auflauerte. Mit fünf Schüssen streckte der Angreifer den Journalisten zu Boden. Neun Tage später erlag der bekannte Kriminalreporter im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Für die Tat müssen sich nun ein 22-jähriger Mann aus der Provinz Gelderland und ein 36-jähriger Pole verantworten.
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Ludger Kazmierczak
ARD-Studio Den Haag
Die beiden seien auf der Flucht in der Nähe von Den Haag von der Polizei schon kurz nach der Tat gestoppt worden, sagt Mara van den Berg, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft: “Sie hatten die Pistole dabei, mit der geschossen wurde, ein Handy mit diversen Nachrichten, aus denen hervorgeht, dass die beiden im Auftrag gehandelt haben. Es gibt auch DNA-Beweise. Also die Staatsanwaltschaft hat einiges in der Hand gegen die zwei Verdächtigen.”
Die Ankläger vermuten, dass der Mord mit dem spektakulären Prozess gegen einen bekannten Drogenboss zu tun hat. Peter R. de Vries hatte in dem Fall einem Kronzeugen zur Seite gestanden, dessen Anwalt und Bruder zuvor auch erschossen worden waren.
Der mutmaßliche Todesschütze hat während der Prozessvorbereitung geschwiegen. Der zweite Angeklagte, der den Tatort ausgekundschaftet und das Fluchtfahrzeug gesteuert haben soll, bestreitet die Tat: “Ich habe niemanden getötet. Ich weiß nichts über den Mord und ich habe keine Waffe gesehen”, sagt er.
Prozessauftakt in den Niederlanden um Mord an Kriminalreporter Peter de Vries
Cornelia Kolden, ARD Brüssel, tagesschau 15:00 Uhr, 7.6.2022
Landesweite Trauer nach Mord
Peter R. de Vries war prominent und sehr beliebt. In vielen Talkshows und Dokumentationen trat er als Experte auf, eine Zeit lang moderierte er sogar eine eigene Magazin-Sendung. Sein Tod löste landesweit Trauer, Wut und Entsetzen aus. Der Fall machte aber auch deutlich, wie brutal und allgegenwärtig das organisierte Verbrechen in den Niederlanden ist.
Immer wieder kommt es gerade in den Großstädten zu blutigen Abrechnungen unter verfeindeten Banden. 2017 gingen 25 Morde auf das Konto solcher kriminellen Gruppen. Auch wenn der Fall de Vries eine extrem brutale Ausnahme sein mag, niederländische Journalisten würden immer häufiger bedroht, sagt Kameramann René Hendriks: “Das hier gehört mittlerweile auch zu unserer Ausstattung: eine stichfeste Weste, die uns vor Messerstichen oder Schraubenziehern schützt. Das ist leider nötig in unserem Land.”
Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen beginnt in diesem Gerichtsgebäude in Amsterdam der Prozess gegen die zwei Angeklagten.
Bild: EPA
Pressefreiheit zurückgegangen
Die meisten Attacken auf Journalisten gebe es bei Demonstrationen und wenn sich Meinungen stark unterschieden, sagt Hendriks – “nach dem Motto: wenn du die Sache anders siehst als wir, dann ist das ein großer Fehler.”
Ihren Frust und ihre Wut lassen Teile der Gesellschaft offenbar an Journalisten, Polizisten, Sanitätern und Rettungskräften aus. Der öffentlich-rechtliche Sender NOS entfernte im vergangenen Jahr sein Logo von den meisten Übertragungswagen, um Reporter und Kameraleute bei ihren Einsätzen besser zu schützen.
Im internationalen Pressfreiheits-Index sind die Niederlande in diesem Jahr vom sechsten auf den 28. Platz zurückgefallen.