Krieg gegen die Ukraine: Welche Firmen in Russland bleiben wollen

Stand: 14.03.2022 17:49 Uhr

Viele Firmen stoppen ihre Produktion in Russland oder legen Handelsbeziehungen auf Eis. Doch es gibt auch Unternehmen, die das Geschäft trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine beibehalten wollen.

Von Victor Gojdka, ARD-Börsenstudio

McDonalds, Starbucks, BMW – sie alle haben sich vom russischen Markt zurückgezogen, ziemlich öffentlichkeitswirksam. Aber es gibt auch eine Menge Firmen, die die Frage “Gehen oder bleiben?” anders beantworten. “Das ist eine sehr schwierige Abwägung im Einzelfall, wir sehen das, die Politik sieht das und die betroffenen Firmen sehen das”, sagt Michael Harms, Chef des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. “Stand jetzt haben sich viele Firmen erst einmal entschieden, das Geschäft weiter beizubehalten.”

Henkel, Metro und Bayer liefern weiter

Dazu gehört der Konsumgüterkonzern Henkel mit Marken wie Pril und Persil. Und auch der Handelsriese Metro will sein Russlandgeschäft fortführen. Der Pharmariese Bayer kündigte zwar an, alle “nicht-essenziellen Geschäfte” in Russland und Weißrussland zu beenden. Das bedeutet aber genau keinen vollständigen Lieferstopp. Zumindest vorerst will der Konzern weiterhin Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte nach Russland liefern, etwa Mittel zur Behandlung von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Saatgut für Landwirte. Eine andere Entscheidung “würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen”, teilte Bayer mit.

Es seien spezielle Branchen, die mit Russland im Geschäft blieben, sagt Ostausschuss-Chef Harms. Vor allem seien es Unternehmen aus der Pharmaindustrie, aus der Medizin oder dem Handel mit Grundnahrungsmitteln.

Es geht um viel Geld

Die Unternehmen argumentieren nicht nur mit der Lebensmittel- und Medikamentenversorgung in Russland, sondern auch mit ihren Mitarbeitern im Land. Aber es geht auch um eine Menge Geld. Knapp zehn Prozent seines weltweiten Umsatzes erwirtschafte etwa der Handelskonzern Metro in Russland, sagt der Unternehmenskenner Volker Bosse von der Baader-Bank: “Das ist schon verhältnismäßig viel. Hugo Boss macht zum Beispiel drei Prozent in Russland. Metro mit zehn Prozent – da ist man im oberen Drittel der Firmen dabei.”

Dabei ist der Konzern auch in der Ukraine aktiv. Und das macht die Lage delikat, denn inzwischen haben sich ukrainische Mitarbeiter in einem Offenen Brief an die Metro-Führung in Deutschland gewandt. Dort heißt es:

Jeder Tag, den Metro in Russland aktiv ist, jeder Rubel, der als Steuer in den Staatshaushalt wandert, hilft dem Aggressor. Seine Armee mit neuen Waffen auszustatten und immer mehr Ukrainer zu töten. Wir fordern Sie noch einmal auf: Schließen Sie das Russlandgeschäft der Metro!

Einen Krieg in der Ukraine und Menschenleben dort aufwiegen gegen Mitarbeiter in Russland und die Lebensmittelversorgung von Hotels, Bars und Tante-Emma-Läden im Riesenreich – das ist eine schwierige Frage, eine ethische Frage. Der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner von der Universität St. Gallen hat eine eindeutige Position. “Aus meiner Sicht haben wir es mit besseren Ausreden der Unternehmen zu tun”, sagt er. “Im Moment sind wir noch weit davon entfernt, dass wir es in Russland mit einer Hungersnot zu tun haben. Ich sehe sie jetzt in der Pflicht, da rauszugehen.”

Drohung mit späterem Lieferstopp?

Firmen wie Metro und der Konsumgüterkonzern Henkel haben Stellungnahmen veröffentlicht, dass sie den Krieg in der Ukraine ablehnen. Und trotzdem bleiben wollen. Der Bayer-Konzern, der zu den führenden Saatgut-Herstellern gehört, hat russischen Landwirten eigenen Angaben zufolge für die Anbausaison in diesem Jahr bereits “essenzielle” Betriebsmittel bereitgestellt. Über Lieferungen für 2023 und darüber hinaus wolle das Unternehmen später entscheiden – abhängig vom weiteren Vorgehen Russlands.