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Gerade einmal 31,2 Prozent der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen, in den Parlamenten der Länder sieht es kaum besser aus.
Als einer der Gründe, warum weniger Frauen in die Politik gehen, wird oft die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt. Aber im Hintergrund sagen viele, dass Frauen auf die weit verbreitete „Vetternwirtschaft“ schlicht keine Lust hätten.
Das soll sich ändern. In einigen Parteien gibt es Bestrebungen, Frauen die Politik schmackhaft zu machen. Zwei Grünen-Politikerinnen planen Ende Juli einen Kurs, mit dem Frauen ans Politikerdasein herangeführt werden sollen.
Von 709 Abgeordneten im Bundestag sind nur 221 (31,2 Prozent) weiblich, auch in den Parlamenten der Länder sieht es kaum besser aus: Hamburg ist mit 43,9 Prozent weit abgeschlagen, bei knapp der Hälfte liegt der Frauenanteil jedoch unter 30 Prozent. Dabei findet sich im Grundgesetz der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.
Noch weiter auf die Frauenquote warten, das wollte Lena Schwelling (Grüne) nicht. Die Stadträtin wird als nächste Vorsitzende ihrer Partei in Baden-Württemberg gehandelt und würde gerne in ihrem politischen Umfeld noch mehr junge Frauen sehen, die sich den Job zutrauen. Deshalb organisiert sie ein Trainingslager für Nachwuchspolitikerinnen in den Alpen, das sie und ihre Mitorganisatorinnen scherzhaft „Boobcamp“ nennen. „Wir fanden den Arbeitstitel witzig und kommen jetzt nicht mehr davon los“, sagt Schwelling. Der offizielle Titel in der Infobroschüre lautet „Female Force Camp“. Häufig hätten „gerade junge und noch unerfahrene Frauen in der Politik mit Strukturen zu kämpfen, die es ihnen erschweren, ihre Ideen zu äußern und umzusetzen“, heißt es in der Broschüre zum Boobcamp.
Lena Schwelling ist seit ihrem 16 Lebensjahr in der Politik aktiv, jetzt will sie den Einstieg für andere Frauen erleichtern.
picture alliance/Bernd Weißbrod
Auch der erst 29-jährigen Schwelling ging es so, als sie mit 16 ihr erstes politisches Amt antrat. „Man fühlt sich oftmals ein bisschen verloren als junge, neu gewählte Frau im Parlament. Denn das ist ein Alleinstellungsmerkmal, besonders in der Kommunalpolitik“, sagt sie. Frauen würden sich heutzutage häufig erst spät und meist eher zufällig dazu entscheiden, in die Politik zu gehen, hat die Grünen-Politikerin recherchiert. Viele Bürgermeisterinnen, mit denen Schwelling gesprochen hat, hatten den Wunsch geäußert, sie hätten sich gerne früher ein Netzwerk für ihren Beruf aufgebaut. „Deshalb wollen wir mit unseren Teilnehmerinnen der Frage nachgehen ,Traue ich mir eine politische Karriere zu?‘, wir wollen die Motivation wecken, zu führen“, sagt die Grüne-Landesvorständin.
Sieben Politikerinnen haben sich angemeldet, mit dabei unter anderem Isabell Steidel, die in Heilbronn für den Bundestag kandidiert. Sie sollen in dem Kurs Ende Juli das „Rüstzeug an die Hand“ bekommen, „ihre Person, ihre Ideen und ihre Ziele auf den verschiedenen Schauplätzen des politischen Parketts zielgerichtet in Szene zu setzen“. Nichts also mit gemütlichem Wandern durch die Berge, Schwelling hat ein straffes Programm zusammengestellt: Am Vormittag geht es jeweils vier bis fünf Stunden den Berg hinauf bis letztendlich die Zugspitze erreicht wird, am Nachmittag stehen für die angehenden Politikerinnen Themen auf dem Plan wie „Wie tickt die Welt in der Politik? Wie gehe ich mit diesen Strukturen um?“. Die erfahrene Kommunalpolitikerin will Tipps geben, wie zum Beispiel: Sich als Frau bewusst auf die härteren Themen wie Finanzen und Verkehr zu stürzen. Schwelling erinnert sich an ihre Anfangszeit im Ulmer Gemeinderat: Sie hatte zu Beginn stark das Gefühl, sich noch beweisen zu müssen. Nach ihrer ersten Rede zum Haushaltsplan habe sich das schlagartig gelegt.
Sogar nach dem Ende des Politik-Trainingslagers wollen die Profis die jungen Frauen weiter an die Hand nehmen. In mindestens zwei Terminen sollen die individuellen Schwerpunkte mit einer Business-Trainerin nachgearbeitet werden – auch um das Netzwerk, das sich die Nachwuchspolitikerinnen auf der Tour schaffen sollen, aktiv zu halten. Das „Boobcamp“ ist in dieser Form, sportliche Aktivität mit persönlicher Weiterentwicklung einer Politikerkarriere zu verbinden, deutschlandweit einzigartig. Am Ende schafft es eine von ihnen vielleicht erst auf den höchsten Berg Deutschlands und erklimmt dann den Politikolymp.
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